Bergmannsverein Erfurt e.V. Kalireviere Unstrut, Südharz und Werra

(Bischofferode, Bleicherode, Menteroda, Roßleben, Sollstedt und Sondershausen sowie Merkers, Springen und Unterbreizbach)

Kalisalze als Grundstoff für die Düngemittelherstellung wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst am Stassfurter Sattel (Nordharz-Kalirevier) aufgefunden. Danach galt der Harz lange Zeit als südliche Verbreitungsgrenze der Kalisalzvorkommen.

Bereits im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurden auf Betreiben von HERMANN PINNO die Kalilagerstätten in Thüringen zunächst südlich des Harzes (Südharz-Kalirevier) durch Mutungsbohrungen aufgesucht. Der erste Nachweis des Kalilagers Stassfurt gelang im Jahr 1888 durch eine bei Kehmstedt, nördlich von Bleicherode, niedergebrachte Erkundungsbohrung. Wenig später konnten auch östlich davon nahe der Unstrut (Unstrut-Kalirevier) umfangreiche Kalisalzvorräte im Flöz Stassfurt der Stassfurt-Folge (Zechstein 2, Perm) nachgewiesen werden. Durch großangelegte Bohrprogramme wurden die Kalilagerstätten von über Tage aus erkundet und somit der Grundstein für die bis heute anhaltende Gewinnung gelegt.

In den folgenden Jahren wurden von einer Vielzahl risikofreudiger Unternehmen Abbaurechte erworben. Zeitgleich geschah dies auch südwestlich des Thüringer Waldes an Werra und Ulster im Raum zwischen Bad Salzungen und Vacha (Werra-Kalirevier), wo die beiden Kaliflöze Hessen und Thüringen der Werra-Folge (Zechstein 1, Perm) Gegenstand des wirtschaftlichen und spekulativen Interesses waren.

Im Jahr 1893 begann man mit dem Abteufen des Schachtes I der damaligen Gewerkschaft "Glückauf" bei Sondershausen. Bereits im Jahr 1896 wurde dort die Kaliproduktion aufgenommen. Als erstes Kaliwerk im Werra-Kalirevier ging die Schachtanlage "Kaiseroda I" im Jahr 1901 in Betrieb.

Kurz vor der Jahrhundertwende und insbesondere in den folgenden Jahren bis 1914 ist von einer großen Anzahl an Gesellschaften eine heute kaum noch vorstellbare Zahl von Schächten geteuft worden, um neue Gewinnungskapazitäten zu schaffen, auf deren Grundlage im seit 1888 bestehenden Kalisyndikat die Absatzquoten auf die Tausendstel genau verteilt wurden. So sind einige dieser Schächte, als so genannte Quotenschächte geteuft worden, ohne dass eine technische Notwendigkeit dafür bestanden hätte.

Das Südharz-Kalirevier reichte von Bischofferode im Nordwesten und Volkenroda bei Menteroda im Südwesten bis nach Günthershall bei Göllingen im Osten und verfügte 1914 über 33 Schächte, die zu einer Vielzahl teils konkurrierender, teils zusammengeschlossener Gesellschaften gehörten. Im Unstrut-Kalirevier zwischen Heldrungen und Roßleben sowie im Bereich von Finne, Schmücke und Hoher Schrecke waren es 18 Schächte und im thüringischen Teil des Werra-Kalireviers 15 Schächte, die im Jahr 1914 als Förder- oder Wetterschächte betriebsbereit waren. Somit war Thüringen mit 66 Kalischächten an der Überproduktionskrise des Deutschen Kalibergbaus beteiligt, die 1921 zur sogenannten Stilllegungsverordnung und im Zeitraum zwischen 1922 und 1924 zur zeitweiligen oder endgültigen Stilllegung einer Vielzahl von Bergwerken führte.

Nur die leistungsfähigsten Unternehmen überlebten durch Konzentration und Modernisierung der technischen Ausrüstungen unter wie über Tage. Im Südharz wurde an den Standorten Sondershausen, Bleicherode, Sollstedt, Bischofferode und Volkenroda weiterhin Kali produziert. Dabei wurde fast ausschließlich Hartsalz gewonnen und verarbeitet.

An der Unstrut blieb nur das Kaliwerk Roßleben in Produktion, bis die Grube Roßleben 1939 durch einen Laugeneinbruch aus dem Hauptanhydrit vorübergehend aufgegeben werden musste. Die Fabrik wurde aus der wieder in Betrieb genommenen Nachbargrube Georg-Unstrut bei Wangen weiterhin mit Rohsalz, das über eine Hängeseilbahn zugeführt wurde, versorgt.



Grube Springen
 
Eine besonders große Steigerung der Kaliproduktion erfolgte in den Kaliwerken an der Werra bei Merkers und Unterbreizbach, bedingt durch die für eine Rationalisierung günstige gleichmäßige Lagerstättenausbildung der Flöze Hessen und Thüringen. Das Werk Kaiseroda bei Merkers erreichte damals die weltweit höchste Produktionsmenge. Außerdem bestand eine Fabrikanlage in Dorndorf, die von mehreren kleinen Gruben bei Springen, Alexandershall und Menzengraben mit Rohsalz versorgt wurde.


Die technische Entwicklung in den Grubenbetrieben war durch den Einsatz elektrischer Bohrmaschinen und leistungsfähiger Sprengstoffe für die Gewinnung, von Schrapperanlagen für die Abbauförderung und von Seilbahnen und E-Loks für die Streckenförderung gekennzeichnet. In den Schächten begann die Umstellung von der Gestellförderung mit Förderwagen auf die leistungsfähigere Gefäßförderung. Bei der Kaliverarbeitung wurde das Heißlöseverfahren ständig verbessert und neben den chloridischen und sulfatischen Kalidüngesalzen zunehmend weitere Produkte hergestellt.



Elektrosprengbohrlochmaschine
Für die weitere Entwicklung des Kalibergbaus in Thüringen waren die Folgen des II. Weltkrieges von einschneidender Bedeutung. Die bisher hier tätigen Aktiengesellschaften wurden 1945 enteignet. Die Betriebe wurden zunächst vorwiegend in Sowjetische Aktiengesellschaften überführt, um Reparationsleistungen abzugelten. Nach der Gründung der DDR wurden die Betriebe bis 1952 schrittweise in das Volkseigentum überführt und einer zentralen Verwaltung unterstellt, die zunächst in Erfurt, ab 1970 als Kombinat KALI in Sondershausen ansässig war. Neben den Kali-, Steinsalz- und Spatgruben waren dieser Struktur auch ein Kaliforschungsinstitut in Sondershausen, ein Kaliingenieurbüro in Erfurt und ein Bergwerksmaschinenbetrieb in Dietlas zugeordnet.

Da die Kaliindustrie der DDR nicht nur wichtige Versorgungsaufgaben für die eigene Landwirtschaft und die der benachbarten Volksdemokratien erfüllte, sondern auch erhebliche Mengen in das sogenannte "nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet" exportieren konnte, besaß sie als einer der wenigen zuverlässigen Devisenbringer eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Das führte zu einer neuen Blütezeit der Kaliindustrie und einer hohen Wertschätzung mit überdurchschnittlicher Entlohnung der Mitarbeiter. Die Produktion wurde ständig gesteigert und erreichte 1985 mit 3,5 Mio. t K2O hinter Kanada und der Sowjetunion den dritthöchsten Wert im Weltmaßstab. Neben dem neuen Kaliwerk Zielitz (ab 1974) waren daran auch umfangreiche Rekonstruktionen und Modernisierungen der Kaliwerke in Thüringen beteiligt. Das betraf zum einen die frühzeitig zum Kalibetrieb Werra zusammengefassten Betriebe im Südwesten, wo bei Sünna der einzige neue Schacht in Thüringen im Zeitraum 1955 bis 1964 unter schwierigsten Bedingungen abgeteuft worden ist. Weitere vollständige Rekonstruktionen mit erheblicher Produktionssteigerung wurden in den Kaliwerken Bischofferode und Roßleben durchgeführt. In Roßleben war die Grube nach Sümpfung ab 1946 wieder betriebsbereit. Hier wurde wegen des hohen Anteils sulfatischer Salze im Rohsalz erstmalig die Flotation als Verarbeitungsverfahren eingesetzt.



Ladetransportfahrzeug (LTF) ST 8 1973
Die technische Entwicklung der Grubenbetriebe war ab Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch den Einsatz von Bohrwagen und unpatronierten Sprengstoffen in der Gewinnung gekennzeichnet. Für die Abbauförderung wurden zunehmend Fahrlader mit beeindruckenden Schaufelgrößen eingesetzt, die 8 t bis 11 t Rohsalz aufnehmen konnten. Nach der Vorzerkleinerung in Durchlaufbrechern erfolgte die Streckenförderung mit leistungsfähigen Gurtbandförderanlagen sowie mit Gefäßförderanlagen in den Schächten. Für die Verdünnung und Abführung der durch Dieselabgase belasteten Grubenwetter wurden immer größere Wettermengen benötigt, so dass eine Vielzahl der in den stillgelegten Nachbargruben noch vorhandenen Schächte angeschlossen und wieder für die Wetterführung genutzt wurden.

Auch die Kalifabriken wurden durchgehend rekonstruiert, um höhere Wertstoffgehalte, eine weltmarktgerechte Qualität der Produkte und ständig höhere Durchsatzmengen zu gewährleisten. Wegen des allmählichen Rückgangs der Sylvinit- und Hartsalzvorräte wurde im Werra-Kalirevier und seit 1975 auch in zwei Südharzbergwerken zunehmend Carnallitit abgebaut und verarbeitet.

Carnallitit kann aufgrund seines besonderen Deformationsverhaltens bei intensivem Abbau die langzeitige Standsicherheit der Pfeiler herabsetzen. Beleg dafür sind die Gebirgsschläge bei Merkers 1958, Sünna 1975, Bleicherode 1983 und Völkershausen 1989. Ausgelöst durch Gewinnungssprengungen kam es dabei zu plötzlichen Senkungen über Tage mit erheblichen Zerstörungen sowie zu Vorratsverlusten unter Tage. Glücklicherweise entstanden keine Personenschäden, da stets bei ausgefahrener Belegschaft gesprengt wurde.

Mit der politischen Wende in der DDR und der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 wurde für 8 von 9 Thüringer Kaliwerken das schnelle Ende eingeläutet. Die Märkte in Osteuropa brachen zusammen und die Anpassung an marktwirtschaftliche Bedingungen bei den übrigen Kunden gelang nicht oder nicht schnell genug. Lediglich das Bergwerk Unterbreizbach hat in engem Verbund mit den hessischen Nachbarbergwerken überlebt. Am Standort Unterbreizbach wird bis heute Kalisalz zu Tage gefördert und verarbeitet.

Mit der Stilllegung der Produktion in den meisten Kaliwerken ist jedoch deren Geschichte noch nicht beendet. In der Nachbetriebsphase sind die Bergwerke so zu verwahren, dass Gefahren für die Tagesoberfläche sowie für die Biosphäre dauerhaft ausgeschlossen werden können. Während in den Bergwerken Merkers und Sollstedt ausschließlich Steinsalz für den nachträglichen Versatz ausgewählter Baufelder genutzt wird, erfolgt in den Bergwerken Bleicherode, Sondershausen und Unterbreizbach hierfür auch die Verwertung von geeigneten Abfällen.

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